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1914-1918: Bedüngungslose Kapitulation

Der erste Weltkrieg bringt den beinah vollständigen Zusammenbruch der Landwirtschaft. Der Ruf nach Kunstdüngern ist laut, die deutsche Chemie ist aber mit der Produktion von Sprengstoff beschäftigt.

 
 

Die massiven Krisen der Landwirtschaft in der Zwischenkriegszeit gehen auf den 1. Weltkrieg zurück. Nicht nur in Österreich-Ungarn hungerte man, auch im Deutschen Reich schlug die Ernährungsknappheit auf die Felder über. Teilweise wurden, wie beim „Schweinemord 1915“ Millionen Tiere getötet, um die Futterkonkurrenz zu den Menschen um Getreide und Kartoffel zu verhindern.  Durch die Futtermittelknappheit entging dem Boden aber Tonnenweise Stickstoff und Phosphor, den er über den tierischen Dünger erhalten hätte. Darüberhinaus zeigte der Krieg Folgen, indem auch die Einfuhr des Chile-Salpeter wegen der Seeblockade gestoppt war. Die Folge: Die krümelige Struktur des Bodens – damals Gare oder auch „alte Kraft“ genannt – ging für lange Zeit verloren.

Im Jahr 1917 war es deshalb im Preußischen Kriegsministerium zu einer hochrangigen „Besprechung der Stickstoff-Frage“ gekommen. Das Landwirtschaftsministerium ersuchte seine Kollegen aus dem Kriegsministerium um Unterstützung für die heimischen Felder in Form von chemisch hergestelltem Stickstoff. Schließlich hatte die chemische Industrie die deutsche Kriegsmaschine mithilfe der von BASF patentierten Ammoniaksynthese zu unerwarteten Erfolgen geführt. Denn durch dasselbe Verfahren der Kontaktbeschleunigung – die Katalyse – werden Sprengstoffe ebenso wie Kunstdünger hergestellt. Diese Technologie deutscher Prägung beruhte auf der Nutzung fossiler Ressourcen und bildete den Auftakt für eine Ersatzstoffkultur, die den Planeten verändern sollte. Doch vorerst war die Antwort des Kriegsministeriums eindeutig: aller Stickstoff für den Krieg!

 
Quellen: 

Steininger, Benjamin: Kinematographie und Katalyse: Die Zeit der Chemie in „Das Blumenwunder“ (1926). In: Ines Lindner (Hg.), gehen blühen fließen (Nürnberg: Verlag für moderne Kunst, 2013)
Uekötter, Frank: Die Wahrheit ist auf dem Feld. Eine Wissensgeschichte der deutschen Landwirtschaft. (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2010), S. 183-190

 
 
Credits: 

Titel: 1914-1918 - Bedüngungslose Kapitulation / Rechteinhaberin: BIO-WISSEN.org / Grafik: Andreas Pawlik (dform) / Redaktion: Alexander Martos (Science Communications Research), Reinhard Gessl, Elisabeth Klingbacher (FIBL Österreich) / Copyright: Bestandteile eines fruchtbaren Bodens von BIO-WISSEN.org ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

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