Um 1800 - Die wilde Zeit der Pflanzendüngung
Bereits um 1800 gab es 45 verschiedene Düngemittel. Doch unumstritten galt der Stallmist als die wichtigste Maßnahme der Bodenaufbereitung.
In seiner 1800 veröffentlichten „Vollständigen Übersicht der gewöhnlichen, und mehrerer bisher minder bekannten Dünge-Mittel und deren Würksamkeit“, zählt Robert Somerville für unser heutiges Verständnis durchaus seltsame Nährstoffquellen auf. Dennoch hatte man längst schon erkannt, dass es der Misthaufen war, von dem im 19. Jahrhundert die landwirtschaftliche Revolution ausgehen sollte. So war der Dünger, den man vorerst in Gemischen und nicht wie später vor allem als die Elemente Kali, Phosphor und Stickstoff identifizerte, ein wichtiger Zusatz – aber eben auch nicht mehr. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass dereinst daraus das Grundprinzip eines völlig neuen Systems werden sollte.
Was genau sich bei der Düngung abspielte, war auch für seine bekanntesten Forscher Justus Liebig und Albrecht Daniel Thaer wissenschaftlich betrachtet noch ziemlich rätselhaft. Dass Ersterer sich mehr für die Pflanzennahrung und zweiterer für den Humus interessierte, führte zwischen den Beiden und ihren „Schulen“ zu einer Art Konkurrenz. Aus heutiger Sicht scheint das Entweder-Oder verfehlt, sowohl Humus als auch (ökologische) Methoden der Düngung sind entscheidend für das Pflanzenwachstum.
Im Lauf des 19. Jahrhunderts begann der Handel mit verschiedenen Düngemitteln zu boomen und eine richtige Industrie hervor zu bringen. Sowohl Salpeter aus Chile, als auch der Peruanische Guano brachten es für mehrere Dekaden auf große Vormachtstellungen. Erst das Haber-Bosch-Verfahren zur chemischen Synthese von Stickstoff (patentiert 1910) markierte in dieser Entwicklung den entscheidenden Einschnitt. Allerdings fiel der alles verändernde Bruch vorerst nicht weiter auf, weil er mit dem Beginn des WKI zusammen fiel.
Brakensiek, Stefan: Das Feld der Agrarreformen um 1800. In: Engstrom, Eric J.; Hess, Volker; Thoms, Ulrike (Ed.): Figurationen des Experten: Ambivalenzen der wissenschaftlichen Expertise im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert (Frankfurt am Main: Lang, 2005) (Berliner Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte ; 7), S. 101 - 122
Somerville, Robert: Vollständige Uebersicht der gewöhnlichen, und mehrerer bisher minder bekannten Dünge-Mittel und deren Würksamkeit (Leipzig, 1800) – sh. Google Books
Uekötter, Frank: Die Wahrheit ist auf dem Feld. Eine Wissensgeschichte der deutschen Landwirtschaft. (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2010)
Titel: Um 1800 - Die wilde Zeit der Pflanzendüngung / Rechteinhaberin: BIO-WISSEN.org / Grafik: Andreas Pawlik (DFORM) / Redaktion: Alexander Martos (Science Communications Research), Reinhard Gessl, Elisabeth Klingbacher (FIBL Österreich) / Copyright: Um 1800 - Die wilde Zeit der Pflanzendüngung von BIO-WISSEN.org ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.